

Die Verbotene Stadt in Potsdam war jahrzehntelang ein streng abgeschirmter Ort, der nicht einmal auf offiziellen Karten existierte. Der Jugendroman „Schattenrauschen“ von Ann Rose erzählt über den geheimen Ort.
Was war die Verbotene Stadt?
Ab 1945 errichtete die Sowjetische Militäradministration in Potsdam in der Nauener Vorstadt das sogenannte „Militärstädtchen Nr. 7“. Ursprünglich diente es der Entnazifizierung, doch mit Beginn des Kalten Krieges wandelte es sich zur Hauptzentrale der Spionageabwehr. Über tausend solcher Stützpunkte entstanden in der DDR. Sie waren wie Knotenpunkte in einem Netz, das die Sowjetunion über das Land spannte. Von hier aus kontrollierten und überwachten die sowjetischen Dienste sowohl die eigenen Truppen als auch die Bevölkerung der DDR. Dabei hatten sie stets den Westen im Blick.
Ein unsichtbarer Ort auf keiner Karte
Das später als „Verbotene Stadt“ bekannte Militärstädtchen Nr. 7 war streng abgeschottet. Für die Potsdamer Bevölkerung war das Gebiet tabu und auf Landkarten existierte es nicht. Es war ein weißer Fleck, der als absolutes Sperrgebiet galt.
Die weitgehend autarke Anlage umfasste rund 110 Gebäude, darunter Lebensmittel- und Kleidungsgeschäfte, Kasernen, Wohnhäuser, eine Sauna, eine Bibliothek sowie Vergnügungsstätten. Hier lebten nicht nur Soldaten und Geheim-dienstmitarbeiter, sondern auch deren Familien in einer abgeschirmten Parallelwelt mitten in Potsdam.
Das Gefängnis in der Leistikowstraße
Ein zentraler Ort innerhalb dieses Komplexes war das Untersuchungsgefängnis in der Leistikowstraße 1, in dem zwischen 1945 und den 1980er Jahren zahlreiche Menschen ohne Verfahren und ohne Anwälte inhaftiert wurden. Viele von ihnen waren Deutsche. Sie wurden isoliert, verhört und auf Grundlage erpresster Geständnisse zu langen Haftstrafen oder zur Zwangsarbeit verurteilt. Dabei verfolgte die sowjetische Geheimpolizei keine juristischen, sondern politische Ziele.
Von Potsdam nach Sibirien: Das Schicksal der Gefangenen
Zahlreiche Gefangene wurden in Arbeitslager nach Sibirien verschleppt, besonders häufig ins Lager Workuta, das zu den berüchtigtsten im gesamten Gulag-System zählte. Es lag nördlich des Polarkreises, wo eisige Temperaturen und Mangelernährung herrschten. Die Insassen mussten schwerste körperliche Arbeit im Kohlebergbau verrichten. Zwischen 1945 und 1955 verurteilten sowjetische Militärtribunale schätzungsweise 40. 000 bis 50.000 Deutsche. Viele von ihnen verbrachten Jahre oder gar ihr ganzes Leben in Workuta.
Das Ende der Geheimhaltung – und ein neuer Blick auf die Vergangenheit
Mit dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1990 verschwand auch das Militärstädtchen aus dem Alltag. Nach mehr als fünfzig Jahren öffnete sich das einst hermetisch abgeriegelte Gelände, und die Potsdamer konnten es erstmals wieder betreten. Enteignete Häuser wurden an die ehemaligen Eigentümer zurückgegeben, und die Spuren der Vergangenheit kamen ans Licht. Heute erinnert die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße an dieses dunkle Kapitel. Sie informiert über die Geschichte des Ortes, bewahrt Zeugnisse und fördert die historische Forschung.
Spionage heute: Von der Verbotenen Stadt ins digitale Zeitalter
Spionage ist jedoch kein Relikt vergangener Zeiten. Sie hat sich lediglich gewandelt. Heute wird der Informationskrieg im digitalen Raum ausgetragen. Staaten, Geheimdienste und kriminelle Gruppen greifen dabei auf Cyberangriffe zurück, um sensible Daten zu stehlen oder politische Ziele durchzusetzen.
Der Roman bezieht sich auf den groß angelegten Cyberangriff auf den Deutschen Bundestag im Jahr 2015, für den der deutsche Verfassungsschutz den russischen Militärgeheimdienst GRU verantwortlich macht. Dabei wurde unter anderem das IT-Kommunikationssystem Parlakom infiltriert, das interne Netzwerk des Bundestags. Die Täter stahlen mehrere Gigabyte an Daten gestohlen, darunter E-Mails und vertrauliche Informationen von Abgeordneten. Über eine einfache Phishing-Mail verschafften sie sich Zugang zu den Rechnern der Abgeordneten und installierten eine Schadsoftware (Trojaner), um an die sensiblen Daten zu gelangen. 2017 veröffentlichte die ZEIT den Verdacht, dass die abgefangenen Daten zur Beeinflussung des deutschen Wahlkampfs 2017 genutzt wurden.
Warum die Geschichte der Verbotenen Stadt noch immer aktuell ist
Die enorme Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz hat das Risiko von Deepfakes erheblich erhöht. Mithilfe von KI werden Medieninhalte erzeugt, die täuschend echt wirken. Sie werden aber auch gezielt zur Verbreitung von Desinformationen eingesetzt. Dadurch kann das Vertrauen in Fakten untergraben und politische Prozesse beeinflusst werden.
Der Roman „Schattenrauschen“ soll daran erinnern, wie wichtig es ist, Informationen kritisch zu hinterfragen und den Mut zu haben, für Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten. Diesen Mut brauchen wir auch heute – im Umgang mit Daten, digitalen Täuschungen und der Frage, wem wir unser Vertrauen schenken. Denn Spionage ist nicht bloß Vergangenheit. Sie ist Teil unserer Gegenwart und der Zukunft.

